Animal of the Month Mai 2019

Rotmilan

Roter Milan - Foto: Gerhard Brodowski

Roter Milan - Foto: Gerhard Brodowski

Milvus milvus (L. 1758)

Der Rotmilan (Milvus milvus), auch Roter Milan, Gabelweihe oder Königsweihe genannt, ist eine etwa mäusebussardgroße Greifvogelart aus der Familie der Habichtartigen (Accipitridae). Im Gegensatz zum nahe verwandten, geringfügig kleineren Schwarzmilan ist die Verbreitung des Rotmilans im Wesentlichen auf Zentral-Europa beschränkt. Er brütet vor allem in offenen, mit kleinen Wäldern oder Gehölzen durchsetzten Landschaften. Er ist bedeutend weniger wassergebunden als der Schwarzmilan. Die meisten Rotmilane des zentralen Mitteleuropas, sowie die in Nord- und Osteuropa brütenden sind Zugvögel, während ein unterschiedlich hoher Prozentsatz der Brutvögel aus dem westlichen und südwestlichen Mitteleuropa als Standvogel im Brutgebiet bleibt. Über 50 Prozent des Gesamtbestandes dieser Art, die sich vor allem von kleineren Säugetieren und Vögeln ernährt, brütet in Deutschland. Zurzeit werden keine Unterarten anerkannt. Deutliche Abnahmen in den Hauptbrutgebieten führten dazu, dass die IUCN Anfang des Jahrtausends den Bestand auf NT (= near threatened) hochstufte, ebenso die Rote Liste der Brutvögel Deutschlands von 2015. Der Rotmilan ist eine gut bestimmbare Greifvogelart. Der Rotmilan ist größer als ein Mäusebussard und etwas größer als der Schwarzmilan; er hat ausgesprochen lange Flügel und einen langen gegabelten Schwanz. Der sitzende Vogel wirkt rötlichbraun, wobei eine deutlich hellere, meist ockerfarbene Federsäumung vor allem der Deckfedern des Oberflügels und des Rückengefieders einen kontrastreichen Gesamteindruck vermittelt. Das Kopf-, Nacken- und Kehlgefieder erwachsener Rotmilane ist sehr hell, fast weiß, und weist auffallende schwarze Federnschäfte auf, die diese Körperpartien schwarz gestrichelt erscheinen lassen. Der ziemlich kräftige Schnabel ist an der Basis gelb, am Schnabelhaken dunkelgrau oder schwarz. Die kurzen Beine sind gelb, die Krallen schwarz. Die Arm- und Handschwingen sind an ihren Enden sehr dunkel, fast schwarz. Im Flug fallen vor allem die langen, relativ schmalen Flügel und der tief gegabelte, rostrote Schwanz auf, der immer in Bewegung ist und auch voll gefächert noch eine Kerbung aufweist.

Roter Milan im Flug - Foto: Dieter Bark

Roter Milan im Flug – Foto: Dieter Bark

Die Geschlechter unterscheiden sich in der Färbung nicht, auch das Jugendgefieder ähnelt stark dem Erwachsenenkleid. Bestes und bei sehr gutem Licht auch feldornithologisch brauchbares Bestimmungsmerkmal juveniler Individuen ist der mehr sandfarbene, nicht hellgrau-weiße Kopf und das eher gesprenkelt wirkende, mehr blassrötlich braune Bauchgefieder. Bei ganz jungen flüggen Rotmilanen kann der Schwanz am äußersten Rand noch eine Rundung aufweisen, da die äußersten Steuerfedern noch nicht ihre volle Länge erreicht haben. Der Rotmilan ist ein Greifvogel offener, mit kleinen und größeren Gehölzen durchsetzter Landschaften. Bevorzugte Lebensräume sind Agrarlandschaften mit Feldgehölzen, oft auch Parklandschaften und an Offenland grenzende strukturierte Waldränder, solange Bäume als Niststandorte zur Verfügung stehen. Zum Jagen braucht er offenes Kulturland, Grasland und Viehweiden, daneben können auch Feuchtgebiete als Nahrungsreviere dienen. Abgeerntete oder gerade umgepflügte Getreidefelder schließt er ebenso in die Nahrungssuche ein wie Autobahnen und Mülldeponien. Der Rotmilan ist ein Suchflugjäger offener Landschaften, der große Gebiete seines Nahrungsreviers in einem relativ niedrigen und langsamen Gleit- und Segelflug systematisch nach Beute absucht. Er ist Überraschungsjäger, der bei erfolglosem Angriff in der Regel abstreicht und das verfehlte Beutetier nicht weiter verfolgt. Die Mehrheit der nord- und mitteleuropäischen Rotmilane verlässt im Herbst das Brutgebiet und zieht nach Südwesten, insbesondere nach Spanien. Insgesamt wird in den letzten beiden Jahrzehnten eine Verkürzung der Zugwege und ein vermehrtes Ausharren der Art in den Brutgebieten festgestellt. Schneeärmere Winter sowie ein größeres, allzeit verfügbares Nahrungsangebot auf Müllkippen und entlang stark frequentierter Straßen machen es auch für viele mittel- und einige nordeuropäischen Populationen möglich, während des Winters im Brutgebiet auszuharren. Die größten Winterbestände in Mittel- und Nordeuropa gibt es im nördlichen Harzvorland. Der Horstbau oder die Instandsetzung eines alten Horstes beginnt sofort nach Wieder-Ankunft der Partner im Brutrevier. Horststandorte und Horstbäume sind sehr unterschiedlich, in Mitteleuropa handelt es sich aber hauptsächlich um Eichen, Buchen oder Kiefern. Meist liegen die Horste relativ hoch und in starken Bäumen. Nistunterlage ist meistens eine starke Stammgabelung. Am Horstbau beteiligen sich beide Partner. Das Grundgerüst besteht aus starken Reisern und Zweigen, die sie vom Boden auflesen oder mit dem Schnabel oder den Fängen von Bäumen abreißen.

Rotmilanweibchen am Horst - Foto: Deutsche Wildtierstiftung

Rotmilanweibchen am Horst – Foto: Deutsche Wildtierstiftung

Den Horst polstern die Vögel mit unterschiedlichem, weichem, organischem Material, aber auch mit Kulturabfällen wie Folien, Plastiktüten oder Bindegarn aus. Die Eier bebrütet fast ausschließlich das Weibchen etwa 32 bis 33 Tage bereits nach dem ersten Ei intensiv, so dass die Jungen mit deutlichen Entwicklungsunterschieden aufgezogen werden. Nur für kurze Zeit übernimmt das Männchen das Brutgeschäft. In den ersten zwei bis drei Wochen bleibt das Weibchen fast ständig am Horst, hudert und beschattet die Nestlinge und verfüttert die vom Männchen herbeigebrachte Nahrung, die vor allem aus Kleinsäugern und Vögeln besteht. Die Nestlingszeit beträgt, abhängig von Witterung und Nahrungsangebot zwischen 48 und 54 Tagen. In Extremfällen fliegen die Jungen erst nach 70 Tagen aus. Die wesentliche Gefährdung der Nestlinge liegt – abgesehen von mangelnder Nahrung – in der Prädation durch den Habicht und den Waschbär. Der Rotmilan zählt zu den den häufigsten Kollisionsopfern an Windenergieanlagen. Für einen Rotmilan-freundlichen Ausbau der Windkraft ist die sorgsame Auswahl der Standorte und die räumliche Gestaltung im Umkreis der Anlagen sehr wichtig.

Rotmilane gehören zu den häufigsten Kollisionsopfern an Winkraftanlagen - Foto: Maik Sommerhage

Rotmilane gehören zu den häufigsten Kollisionsopfern an Winkraftanlagen – Foto: Maik Sommerhage

Neben vielfältigen Gefährdungsursachen wie Umweltgiften, der illegalen Jagd vor allem in Durchzugsgebieten und Winterquartieren, Stromleitungen und Verkehrsverlusten, stellt die Windkraft vor dem Hintergrund des weiteren Ausbaus ein besonderes Konfliktpotenzial dar. Hinweise auf tödliche Kollisionen von Rotmilanen mit Windenergieanlagen sind im Verhältnis zu der geringen Zahl an Meldungen und des relativ kleinen Vogelbestands unerwartet häufig. Als Ursache für die fehlende Scheuchwirkung von Windkraftanlagen wird das attraktive Nahrungsangebot vermutet. Eine niedrige Pflanzendecke im Umfeld des Anlagenfußes bietet dem Rotmilan freie Sicht auf Mäuse und andere Kleinsäuger. Besonders groß ist die Anziehungskraft vor allem dann, wenn in mittlerer Entfernung um die Windanlage dicht bewachsene Felder die Beutejagd unmöglich machen
Ziel ist es, den unmittelbaren Bereich um den Anlagenfuß so unattraktiv wie möglich zu gestalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die naturräumlichen Lebensbedingungen von Arten wie beispielsweise dem Rotmilan durch den weiteren Ausbau der Windenergienutzung nachhaltig beeinträchtigt werden. Die Situation des Rotmilans und anderer Greifvogelarten wird sich nur verbessern, wenn die Landschaft nicht weiter ausgeräumt wird, also Hecken, Sträucher und Wildpflanzen geduldet und gegebenenfalls neu angepflanzt werden.

Literatur

Dr. Eckhard Holtorf, IT