Coccinellidae und andere
Als Glücksbringer erfreut sich der Siebenpunkt-Marienkäfer – mit wissenschaftlichem Namen Coccinella septempunctata – großer Beliebtheit. Die Zahl Sieben, in diesem Fall die Anzahl schwarzer Punkte auf den roten Flügeldecken des Käfers galt schon seit je her als Glückszahl und mystische Zahl, vereint sie doch in sich die irdische Vier (vier Elemente) und die göttliche Dreizahl. Marienkäfer sollen Kinder beschützen und Kranke heilen. Sie galten etwa als geheiligte Tiere der Freya, der germanischen Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit. Auch heute finden sich Marienkäfer-Motive in Hülle und Fülle im Handel als Lampen-schirme, Kuschel-, Schoko-, Glastiere oder Schlüsselanhänger.
Fakt ist, dass beim Anblick der Käfer mit den wunderbaren roten Flügeldecken und den sieben Glückspunkten weder von Kindern noch Erwachsenen „Igitt“-Ausrufe zu hören sind. Glück für den Käfer! Und er hat noch mehr Glück: Vögel verschmähen das bitter schmeckende Tier und werden durch seine rote Warnfarbe abgeschreckt. Die Menschen stufen ihn als Nützling ein, da die Larven und die Käfer große Mengen an Blattläusen vertilgen. Für die Bauern im Mittelalter waren sie ein Geschenk der heiligen Maria; daher der Name. Langzeituntersuchungen zeigen, dass die Käfer auf jeden Fall gefördert werden sollen.
Der Siebenpunkt gehört zur großen Familie der Marienkäfer (Coccinellidae). Weltweit kennt man etwa 5.500 Arten vor allem in den Tropen und Subtropen. In Deutschland wurden bisher 80 Arten nachgewiesen. Vor 40 Jahren waren Marienkäfer mit zwei Punkten (Adalia bipunctata) in Deutschland die häufigsten ihrer Art – jetzt entdeckt man kaum noch welche davon. Auch der Siebenpunkt-Marienkäfer war mit die verbreitetste und bekanntere Art.
Biologen haben eine Erklärung gefunden: Es begann damit, dass in den 1980er Jahren die asiatischen Verwandten unserer einheimischen Marienkäfer als biologischer Pflanzenschutz eingeführt und in Gewächshäusern auf Blattläuse angesetzt wurden. Denn die Asiaten vertilgen fünf Mal mehr dieser Schädlinge. Doch die asiatischen Käfer drangen aus den geschlossenen Räumen ins Freie, und seitdem breiten sie sich unkontrolliert bei uns aus. Denn außer ihrer Fresslust zeichnet sie eine zweite Hochleistungseigenschaft aus, ihre Zeugungsfähigkeit. Einheimische schaffen einmal im Jahr Nachwuchs, die Asiaten dagegen bis zu vier Mal. Der aus Ostasien eingeführte Verwandte schreibt seit Jahren Schlagzeilen: Im Herbst versammelt sich der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis) immer wieder an Häuserwänden in großer Zahl, um dort zu überwintern. Dabei kann auch unser Siebenpunkt in Massen auftreten. An einem fünf Kilometer langen Ostseestrand wurde ein Schwarm von mehr als 25 Millionen Käfern beobachtet. Zu viel Glück kann auch zur Last werden. Der asiatische Harlekin-Marienkäfer kommt heute nicht mehr nur in Japan und China vor, sondern auch in Nordamerika und ganz Europa. Professor Andreas Vilcinskas , Uni Gießen, ist der bekannteste Marienkäferexperte Deutschlands: „Marienkäfer sind durch Bitterstoffe im Blut ganz gut vor anderen Fressfeinden geschützt, zum Beispiel Vögel. Die größten Feinde der Marienkäfer sind aber die Marienkäfer selbst. Wo immer ihre Larven die Larven von anderen Marienkäferarten finden, fressen sie diese.“ Im Rahmen einer EU-Studie zum asiatischen Käfer machten die Wissenschaftler eine sensationelle Entdeckung: „Der asiatische Marienkäfer kann ohne Probleme die Larven der einheimischen fressen. Wenn aber ein einheimischer Zweipunkt die Eier des asiatischen frisst oder die Larven, dann stirbt er daran.
Wir konnten zeigen, dass der asiatische Marienkäfer voll ist mit Parasiten. Das ganze Blut ist voll mit sogenannten Mikrosporidien, das sind pilzähnliche Parasiten.“ Die benutzt er wie eine Bio-Waffe. Er ist selbst mit Parasiten voll, die er toleriert, aber wenn einheimische Konkurrenten an ihm fressen, sterben sie. Im Blut der Käfer fanden die Wissenschaftler Parasiten. Die Biologen gehen davon aus, dass der asiatische Käfer mutiert ist. Zur Zeit untersuchen die Forscher sein Blut, um noch mehr über sein Immunsystem zu erfahren. 50 verschiedene Stoffe haben sie schon gefunden, wie er allerdings seine Bio-Waffe entwickelt, das ist noch nicht geklärt. Vermutlich schützen sich die Käfer mit Harmonin, womit sie die Vermehrung der Mikrosporidien auf einem ungefährlichen Niveau halten. Harmonin – abgeleitet vom wissenschaftlichen Namen Harmonia axiridis für den Harlekin-Marienkäfer – erwies sich im Experiment als effizientes Antibiotikum, unter anderem gegen die Erreger von Tuberkulose (TBC) und Malaria. Das aus der Hämolymphe, dem Marienkäferblut, gewonnene Harmonin wird nun im Hinblick auf die Entwicklung neuer Medikamente weiter untersucht.

Eine mit Kolibakterien – erkennbar an den weißen Punkten – beimpfte Petrischale zeigt das enorme antibakterielle Potenzial des Harlekin (Harmonia axyridis). Während sich um die heimischen Arten Siebenpunkt (Coccinella septempunctata) und Zweipunkt (Adalia bipunctata) kein oder nur ein kleiner Hemmhof gebildet hat, werden in der Umgebung des Harlekin die Bakterien abgetötet.
Klar ist, dass der asiatische Marienkäfer mittlerweile vom Helfer auch zur Bedrohung geworden ist. Der Wissenschaftler glaubt aber nicht, dass die einheimische Gattung komplett verdrängt wird: Er geht davon aus, dass sich unser Glückskäfer neue Nischen zum Überleben suchen wird und vielleicht irgendwann auch seine eigene Bio-Waffe entwickeln kann. Alle Marienkäfer nutzen die letzten Sonnentage, um sich auf ihre Wanderungen in wärmere Regionen Europas zu begeben oder sich hier Überwinterungsplätze zu suchen. Wer jetzt zahlreiche Marienkäfer an einer Hauswand beobachtet und am nächsten Tag vergebens danach sucht, der hat sehr wahrscheinlich einen Marienkäfertrupp auf Wanderpause gesehen. Krabbeln sie dabei durch offene Fenster in unsere Wohnungen, so geschieht dies eher zufällig. Marienkäfer machen es sich am liebsten in Hohlräumen gemütlich, etwa in Mauerritzen oder Dachsparren. Auch Laubhaufen in Gärten sind beliebt zum Überdauern der unfreundlichen Jahreszeit – oft finden sich hier größere Ansammlungen. Ein Grund mehr, sich für naturnahe und nicht perfekt aufgeräumte Gärten stark zu machen.
Literatur
- https://de.wikipedia.org › wiki › Marienkäfer
- https://www.swr.de › natuerlich › bedrohter-marienkaefer
- https://blog.wwf.de › asiatische- marienkaefer
Dr. Eckhard Holtorf, Institut für Tierökologie, TiHo